Sunday, March 28, 2010

Das Rätsel

Es war einmal ein Königssohn, der bekam Lust, in der Welt umherzuziehen, und nahm niemand mit als einen treuen Diener. Eines Tags geriet er in einen großen Wald, und als der Abend kam, konnte er keine Herberge finden und wußte nicht, wo er die Nacht zubringen sollte. Da sah er ein Mädchen, das nach einem kleinen Häuschen zuging, und als er näher kam, sah er, daß das Mädchen jung und schön war. Er redete es an und sprach »liebes Kind, kann ich und mein Diener in dem Häuschen für die Nacht ein Unterkommen finden?« »Ach ja,« sagte das Mädchen mit trauriger Stimme, »das könnt [165] ihr wohl, aber ich rate euch nicht dazu; geht nicht hinein.« »Warum soll ich nicht?« fragte der Königssohn. Das Mädchen seufzte und sprach »meine Stiefmutter treibt böse Künste, sie meints nicht gut mit den Fremden.« Da merkte er wohl, daß er zu dem Hause einer Hexe gekommen war, doch weil es finster ward und er nicht weiter konnte, sich auch nicht fürchtete, so trat er ein. Die Alte saß auf einem Lehnstuhl beim Feuer und sah mit ihren roten Augen die Fremden an. »Guten Abend,« schnarrte sie und tat ganz freundlich, »laßt euch nieder und ruht euch aus.« Sie blies die Kohlen an, bei welchen sie in einem kleinen Topf etwas kochte. Die Tochter warnte die beiden, vorsichtig zu sein, nichts zu essen und nichts zu trinken, denn die Alte braue böse Getränke. Sie schliefen ruhig bis zum frühen Morgen. Als sie sich zur Abreise fertig machten und der Königssohn schon zu Pferde saß, sprach die Alte »warte einen Augenblick, ich will euch erst einen Abschiedstrank reichen.« Während sie ihn holte, ritt der Königssohn fort, und der Diener, der seinen Sattel festschnallen mußte, war allein noch zugegen, als die böse Hexe mit dem Trank kam. »Das bring deinem Herrn,« sagte sie, aber in dem Augenblick sprang das Glas, und das Gift spritzte auf das Pferd, und war so heftig, daß das Tier gleich tot hinstürzte. Der Diener lief seinem Herrn nach und erzählte ihm, was geschehen war, wollte aber den Sattel nicht im Stich lassen und lief zurück, um ihn zu holen. Wie er aber zu dem toten Pferde kam, saß schon ein Rabe darauf und fraß davon. »Wer weiß, ob wir heute noch etwas Besseres finden,« sagte der Diener, tötete den Raben und nahm ihn mit. Nun zogen sie in dem Walde den ganzen Tag weiter, konnten aber nicht herauskommen. Bei Anbruch der Nacht fanden sie ein Wirtshaus und gingen hinein. Der Diener gab dem Wirt den Raben, den er zum Abendessen bereiten sollte. Sie waren aber in eine Mördergrube geraten, und in der Dunkelheit kamen zwölf Mörder und wollten die Fremden umbringen und berauben. Ehe sie sich aber ans Werk machten, setzten sie sich zu Tisch, und der Wirt und die Hexe setzten sich zu ihnen, und sie aßen zusammen eine Schüssel mit Suppe, in die das Fleisch des Raben gehackt war. Kaum aber hatten sie ein paar Bissen hinuntergeschluckt, so fielen sie alle tot [166] nieder, denn dem Raben hatte sich das Gift von dem Pferdefleisch mitgeteilt. Es war nun niemand mehr im Hause übrig als die Tochter des Wirts, die es redlich meinte und an den gottlosen Dingen keinen Teil genommen hatte. Sie öffnete dem Fremden alle Türen und zeigte ihm die angehäuften Schätze. Der Königssohn aber sagte, sie möchte alles behalten, er wollte nichts davon, und ritt mit seinem Diener weiter.
Nachdem sie lange herumgezogen waren, kamen sie in eine Stadt, worin eine schöne, aber übermütige Königstochter war, die hatte bekanntmachen lassen, wer ihr ein Rätsel vorlegte, das sie nicht erraten könnte, der sollte ihr Gemahl werden: erriete sie es aber, so müßte er sich das Haupt abschlagen lassen. Drei Tage hatte sie Zeit, sich zu besinnen, sie war aber so klug, daß sie immer die vorgelegten Rätsel vor der bestimmten Zeit erriet. Schon waren neune auf diese Weise umgekommen, als der Königssohn anlangte und, von ihrer großen Schönheit geblendet, sein Leben daransetzen wollte. Da trat er vor sie hin und gab ihr sein Rätsel auf, »was ist das,« sagte er, »einer schlug keinen und schlug doch zwölfe.« Sie wußte nicht, was das war, sie sann und sann, aber sie brachte es nicht heraus: sie schlug ihre Rätselbücher auf, aber es stand nicht darin: kurz, ihre Weisheit war zu Ende. Da sie sich nicht zu helfen wußte, befahl sie ihrer Magd, in das Schlafgemach des Herrn zu schleichen, da sollte sie seine Träume behorchen, und dachte, er rede vielleicht im Schlaf und verrate das Rätsel. Aber der kluge Diener hatte sich statt des Herrn ins Bett gelegt, und als die Magd herankam, riß er ihr den Mantel ab, in den sie sich verhüllt hatte, und jagte sie mit Ruten hinaus. In der zweiten Nacht schickte die Königstochter ihre Kammerjungfer, die sollte sehen, ob es ihr mit Horchen besser glückte, aber der Diener nahm auch ihr den Mantel weg und jagte sie mit Ruten hinaus. Nun glaubte der Herr für die dritte Nacht sicher zu sein und legte sich in sein Bett, da kam die Königstochter selbst, hatte einen nebelgrauen Mantel umgetan und setzte sich neben ihn. Und als sie dachte, er schliefe und träumte, so redete sie ihn an und hoffte, er werde im Traume antworten, wie viele tun: aber er war wach und verstand und hörte alles sehr wohl. Da fragte sie »einer schlug keinen, was ist das?« Er antwortete [167] »ein Rabe, der von einem toten und vergifteten Pferde fraß und davon starb.« Weiter fragte sie »und schlug doch zwölfe, was ist das?« »Das sind zwölf Mörder, die den Raben verzehrten und daran starben.« Als sie das Rätsel wußte, wollte sie sich fortschleichen, aber er hielt ihren Mantel fest, daß sie ihn zurücklassen mußte. Am andern Morgen verkündigte die Königstochter, sie habe das Rätsel erraten, und ließ die zwölf Richter kommen und löste es vor ihnen. Aber der Jüngling bat sich Gehör aus und sagte »sie ist in der Nacht zu mir geschlichen und hat mich ausgefragt, denn sonst hätte sie es nicht erraten.« Die Richter sprachen »bringt uns ein Wahrzeichen.« Da wurden die drei Mäntel von dem Diener herbeigebracht, und als die Richter den nebelgrauen erblickten, den die Königstochter zu tragen pflegte, so sagten sie »laßt den Mantel sticken mit Gold und Silber, so wirds Euer Hochzeitsmantel sein.«


Once upon a time there was a prince who had a sudden desire to travel about the world. He took no one with him but a faithful servant. One day he came to a great forest, and when evening fell he could find no shelter, and he did not know where he would spend the night. Then he saw a girl who was walking toward a little house, and when he came nearer, he saw that the girl was young and beautiful.
He spoke to her, saying, "Dear child, can my servant and I find shelter for the night in this little house?"
"Oh, yes," said the girl in a sad voice, "You certainly can, but I do not advise you to do so. Do not go inside."
"Why not?" asked the prince.
The girl sighed and said, "My stepmother practices evil arts, and she does not like strangers."
Then he realized that he had come to a witch's house, but because it was dark, and he could go no further, he entered. In any event, he was not afraid.
The old woman was sitting in an armchair by the fire. She looked at the stranger with her red eyes. "Good evening," she croaked, pretending to be quite friendly. "Sit down and rest."
She blew into the coals on which she was cooking something in a small pot. The daughter warned the two to be cautious, to eat nothing, and to drink nothing, for the old woman brewed evil drinks. They slept soundly until early morning.
While they were getting ready to leave, and the prince had already mounted his horse, the old woman said, "Wait a moment. Let me give you a farewell drink."
While she was getting it the prince rode away, and the servant, who had to tighten his saddle, was there alone when the wicked witch came with the drink.
"Take this to your master," she said.
But that instant the glass broke and the poison spilled onto the horse. It was so strong that the animal immediately fell down dead. The servant ran after his master and told him what had happened. However, he did not want to abandon his saddle, so he ran back to get it. When he reached the dead horse a raven was already sitting on it eating from it.
"Who knows if we shall find anything better today?" said the servant. So he killed the raven and took it with him.
They wandered in the woods the whole day, but could not find their way out. As night fell they found an inn and went inside. The servant gave the raven to the innkeeper to prepare for supper.
Now they had stumbled into a den of murderers, and twelve murderers arrived in the dark, intending to kill the strangers and rob them. But before doing so they sat down to supper, and the innkeeper and the witch sat down with them. Together they ate a dish of soup into which they had cut up the raven meat. They had scarcely swallowed a few bites when they all fell down dead, for the raven had passed on to them the poison from the horsemeat.
Now there was no one left in the house but the innkeeper's daughter. She meant well and had not taken part in their godless deeds. She opened all the doors for the stranger and showed him piles of treasure. However, the prince said that she should keep everything. He wanted none of it, and with his servant he rode on his way.
After traveling about for a long time they came to a town where there was a beautiful but proud princess. She had made it known that she would marry any man who could ask her a riddle that she could not solve. However, if she solved it his head would be cut off. She had three days to think about it, but was so clever that she always solved the riddle that she had been given before the deadline. When the prince arrived nine men had already died in this manner. However, he was blinded by her great beauty and was willing to risk his life for it.
He went before her and asked her his riddle: "What is this?" he said. "One killed none, but still killed twelve?"
She did not know what it was. She thought and thought, but she could not solve it. She opened her riddle books, but it was not there. In short, her wisdom was at an end.
Not knowing how to help herself, she ordered her maid to sneak into the prince's bedroom. There the maid was to listen to his dreams, for the princess thought that he would perhaps talk in his sleep and reveal the riddle. However, the prince's clever servant had placed himself in the bed instead of his master, and when the maid came in, he ripped off the robe that she had covered herself with, and then chased her out with a bundle of switches.
The second night the princess sent her chambermaid, who was to see if she would be more successful in listening, but the servant took her robe away from her as well, and then chased her out with a bundle of switches.
The master now believed that he would be safe for the third night, and he lay down in his own bed. This time the princess herself came. She had on a mist-gray robe and sat down next to him. When she thought that he was asleep and dreaming, she spoke to him, hoping that he would answer in his sleep, like many do. However, he was still awake and understood and heard everything very well.
Then she asked, "One killed none. What is that?"
He answered, "A raven that ate from a dead and poisoned horse, and died of it."
She asked further, "But still killed twelve. What is that?"
He answered, "Those are twelve murderers who ate the raven and died of it."
Now that she knew the riddle she wanted to sneak away, but he held her robe so fast that she had to leave it behind.
The next morning, the princess announced that she had guessed the riddle and sent for the twelve judges and solved it before them.
But the youth asked for a hearing, saying, "She sneaked into my room during the night and questioned me. Otherwise she would not have guessed it."
The judges said, "Bring us proof."
Then the prince's servant brought in the three robes, and when the judges saw the mist-gray one which the princess usually wore, they said, "Have this robe embroidered with gold and silver, and then it will be your wedding robe."


I was unfortunately to lazy and could not find clear points to make comments, so I didn't, this has shown the true deterioration of my posts. But it was an interesting riddle, though.

Original Text from http://www.zeno.org/Literatur/M/Grimm,+Jacob+und+Wilhelm/M%C3%A4rchen/Kinder-+und+Hausm%C3%A4rchen/22.+Das+R%C3%A4tsel
Translation from http://www.pitt.edu/~dash/grimm022.html

1 comment:

  1. That's a great story, Shug

    Sehr toll.

    Dena Tollefson
    http://www.denatollefson.com
    http://www.denatollefson.blogspot.com

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